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Die wirtschaftliche Entwicklung Norwegens

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Published under: Stoltenberg's 1st Government

Publisher: Ministry of Foreign Affairs

Die wirtschaftliche Entwicklung Norwegens

Nach dem anhaltenden Konjunkturaufschwung in den 1990er Jahren erlebt die Wirtschaft Norwegens nun eine Phase verhalteneren Wachstums. Nach wie vor sind jedoch die Kapazitäten in Teilen der Wirtschaft stark ausgelastet, und der Druck ist entsprechend hoch. Die Erwerbstätigenquote ist in Norwegen deutlich höher und die Arbeitslosigkeit niedriger als im übrigen Europa. Daher sind Löhne und Preise in den letzten Jahren stärker gestiegen als bei den Handelspartnern. Das Wachstum der norwegischen Wirtschaft wird wahrscheinlich noch mehrere Jahre durch die begrenzte Verfügbarkeit von Arbeitskräften bestimmt werden.

Von Sigrid Russwurm


Die norwegische Industrie war von Anbeginn im Wesentlichen eine Rohstoffwirtschaft. Das lag an den Naturgegebenheiten: zahllose Wasserfälle, weite Wälder, reiche Fischbestände und große Erdölvorkommen bestimmten und bestimmen die Struktur der industriellen Produktion. Energieintensive Wirtschaftszweige wie Metallerzeugung, chemische Rohstoffe und Holzverarbeitung machen einen großen Teil der auf Export ausgerichteten Industrie aus. Hinzu kommt der Bau von Schiffen und Offshore-Plattformen. In jüngerer Vergangenheit hat auch die Herstellung elektrischer und elektronischer Artikel an Bedeutung gewonnen. Eine weitere, relativ junge Ausfuhrbranche ist die Aquakultur, die sich in den letzten 15­20 Jahren stark
entwickelt hat.

Die Förderung von Erdöl und Erdgas spielt eine große Rolle für die norwegische Wirtschaft
Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) erhöhte sich die Wertschöpfung in Norwegen in den 1980er und 1990er Jahren insgesamt um fast 80 Prozent, während die Zunahme z. B. in der Europäischen Union rund 50 Prozent und in den USA 70 Prozent betrug. Das stärkere Wachstum in Norwegen ist unter anderem im Zusammenhang mit der Förderung der Ende der 1960er Jahre im norwegischen Festlandsockel entdeckten mineralischen Ressourcen (Erdöl und Erdgas) zu sehen. Von 1980 bis 2000 hat sich die Offshore-Erdölförderung mehr als vervierfacht, und Norwegen ist derzeit der zweitgrößte Erdölexporteur der Welt. Gleichzeitig ist die Nachfrage dieses Wirtschaftszweigs nach Waren und Dienstleistungen auf dem Festland stark gestiegen.
Trotzdem stellt sich die Wirtschaftsstruktur des Landes komplexer dar, als es zunächst scheinen mag. Mehr als die Hälfte der Wirtschaft machen Dienstleistungen aus, hierzu zählen Wohnungen, Kreditwesen, Versicherungen, Verkehr und der öffentliche Dienst. Der Erdölsektor mit Rohöl- und Erdgasgewinnung trug 2000 mit gut 23 Prozent zur gesamten Wertschöpfung bei, das Produzierende Gewerbe mit gut 9 Prozent.
Die norwegische Wirtschaft ist offen. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl liegt der Pro-Kopf-Wert des Außenhandels an der Weltspitze. Rund 77 Prozent der Ausfuhren gehen in die EU-Staaten und gut 68 Prozent der Einfuhren kommen aus der Europäischen Union. Der Export in die USA liegt in der gleichen Größenordnung wie der nach Asien, während aus Asien sehr viel mehr importiert wird als aus den USA. Die nordischen Länder, Großbritannien, Deutschland und die USA sind die wichtigsten Handelspartner Norwegens. Großbritannien und die Niederlande sind wichtige Abnehmer von Erdöl und Erdgas. Schweden ist das Land, aus dem die Norweger am meisten einführen. Der Export von Waren und Dienstleistungen betrug 2000 46 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, der Import 31 Prozent. Die Ausfuhr von Erdöl und Erdgas machte rund 46 Prozent des Gesamtexports aus.

Starker Konjunkturaufschwung in den 1990er Jahren
Zu Beginn der 1990er Jahre befand die norwegische Wirtschaft sich in einem starken Konjunkturabschwung. Die Arbeitslosigkeit stieg dramatisch an, die Wohnungspreise fielen stark, und es zeichnete sich eine erhebliche finanzielle Krise ab. Die Konjunkturentwicklung nahm jedoch bald wieder einen positiven Verlauf, und 1993 setzte in der sog. Festlandwirtschaft (ohne Erdöl und Erdgas) ein längerfristiger Aufschwung ein. Die Voraussetzungen für einen solchen Umschlag waren günstig. Preise und Kosten waren mehrere Jahre lang weniger stark gestiegen als bei den Handelspartnern, so dass die kostenmäßige Wettbewerbsfähigkeit sich erheblich verbessert hatte. Da auch die Zinsen im Jahr 1993 sanken, wurde in der Festlandwirtschaft mehr investiert und der Export nahm zu. Von 1993 bis 1998 betrug das durchschnittliche Wachstum des BIP für das Festland 3 3/4 Prozent, die Arbeitslosigkeit wurde halbiert, und die Erwerbstätigenquote lag so hoch wie nie zuvor.

Hohe Kapazitätsauslastung
Die Wachstumsrate der norwegischen Wirtschaft ging gegen Ende 1998 deutlich zurück und wurde von einer Phase geringerer Expansion abgelöst. Auf Jahresbasis nahm das BIP für das Festland 2000 im Vergleich zum Vorjahr um 1,8 Prozent zu (1998­1999 0,8 Prozent). Das schwächere Wachstum in den vergangenen 2­3 Jahren ist in erster Linie auf einen erheblichen Rückgang der Erdölinvestitionen nach dem Spitzenjahr 1998 zurückzuführen, während die Nachfrage der Haushaltungen zum anhaltenden Wachstum beitrug. Gegen Ende des Vorjahres ging jedoch auch das Wachstum des privaten Verbrauchs zurück, was unter anderem im Zusammenhang mit den im Laufe des Jahres angestiegenen Zinsen zu sehen ist. Der Export traditioneller Waren hat trotz des starken Wachstums der internationalen Wirtschaft deutlich weniger zugenommen als Mitte der 1990er Jahre. Im vergangenen Jahr führte dies dazu, dass norwegische Exporteure in der Jahresstatistik zum vierten Mal nacheinander Marktanteile einbüßten. Der Beschäftigungsstand hat sich in den letzten 2­3 Jahren wenig geändert, die Arbeitslosigkeit ist weiterhin niedrig und stabil, und es fehlt an Arbeitskräften unter anderem im Dienstleistungsbereich. Trotz der geringeren Wachstumsrate ist daher nach wie vor eine hohe Kapazitätsauslastung in der norwegischen Wirtschaft zu verzeichnen.
Die vergangenen zwanzig Jahre brachten der norwegischen Wirtschaft häufigere und stärkere Konjunkturbewegungen als vor 1980. Außerdem führten die Produktionsschwankungen mehr als früher zu erheblichen Veränderungen des Beschäftigungsstandes und der Arbeitslosigkeit. Die Tendenz zu erhöhter Instabilität und erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit sind auch in mehreren anderen OECD-Ländern zu beobachten. Die Deregulierung des Kreditmarktes in der ersten Hälfte der 1980er Jahre trug zusammen mit niedrigen Realzinsen (nach Berücksichtigung der Steuern) und Verhaltensänderungen bei Darlehensnehmern und Kreditinstituten wesentlich zur Verstärkung des Konjunkturaufschwungs Mitte der 1980er Jahre bei. Der in diesem Zeitraum stark angestiegene Schuldenstand sowie überhöhte Investitionen unter anderem bei Geschäftsgebäuden waren die Grundlage für den darauf folgenden sehr starken Rückgang. Außerdem hat die Bedeutung des Erdöl- und Erdgassektors seit den Anfängen in den frühen 1970er Jahren deutlich zugenommen. Die Entwicklung der Investitionen im Bereich Erdöl und Erdgas trug wesentlich zur Verstärkung der Schwankungen der Festlandwirtschaft in den 1980er und 1990er Jahren bei.
Trotz der nach und nach auftretenden Probleme des wirt-schaftlichen Druckes war der Konjunkturaufschwung Mitte der 1990er Jahre wesentlich ausgeglichener als der Aufschwung Mitte der 1980er Jahre. Erstens nahm der private Konsum in den 1990er Jahren im Wesentlichen im Takt mit den Einnahmen zu. Daher wurde von den Haushaltungen nicht wie Mitte der 1980er Jahre weniger gespart. Zweitens stieg der Export traditioneller Waren während des Aufschwungs in den 1990er Jahren erheblich an, was zu einer starken Erhöhung der Betriebsinvestitionen und der Beschäftigung in der Industrie beitrug. Dies führte zu einer in stärkerem Maße gleichlaufenden Entwicklung in verschiedenen dem internationalen Wettbewerb unterworfenen Sektoren und den übrigen Teilen der Wirtschaft, als es während des Konjunkturaufschwungs in den 1980er Jahren der Fall gewesen war. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Entwicklung des privaten Sektors während des letzten Konjunkturaufschwungs als robuster und ausgeglichener dar.

Zu Beginn des starken Produktionswachstums im Frühjahr 1993 gab es erhebliche freie Kapazitäten in der norwegischen Wirtschaft. Der andauernde starke Aufschwung führte jedoch dazu, dass Teile der Wirtschaft mit der Zeit einem erheblichen Druck ausgesetzt waren. Auch wenn dieser Druck nicht mit einer unausgeglichenen, durch Kredite finanzierten Steigerung von privatem Konsum und Investitionen verbunden war, gab es wichtige Parallelen zwi-schen den Aufschwüngen der 1980er und der 1990er Jahre. Unter anderem trugen die Entwicklung der Erdölinvestitionen und die relativ niedrigen Realzinsen (nach Berücksichtigung der Steuern) auch dieses Mal zu einem kräftigen wirt-schaftlichen Aufschwung in Norwegen bei. Die Erdölinvestitionen erhöhten sich zwischen 1995 und 1998 um stolze 43 Prozent. Dies wirkte sich erheb-lich auf die Festlandwirtschaft aus, wobei eine Reihe von Branchen bereits von einer hohen Kapazitätsauslastung gekennzeichnet waren. Auch der Rückgang der Realzinsen (nach Berücksichtigung der Steuern) bis 1997 trug zur Verstärkung des wirtschaftlichen Aufschwungs in Norwegen bei.

Erwerbstätigenquote in Rekordhöhe
Ermöglicht wurde das starke Wirtschaftswachstum in den 1990er Jahren durch eine im historischen und internationalen Vergleich rekordhohe Erwerbstätigenquote. In Norwegen nahm die Beschäftigung zwischen 1993 und 2000 jährlich um ca. 1,2 Prozent zu. In den EU-Staaten blieb der Beschäftigungsstand in diesem Zeitraum weitgehend unverändert, während die Zunahme in den USA etwa gleich hoch lag wie in Norwegen. Im Vergleich zum EU-Durchschnitt hat Norwegen in allen Altersgruppen einen weit höheren Beschäftigtenanteil. Dies erklärt sich unter anderem durch die hohe Erwerbstätigenquote bei Frauen und den im Vergleich zu anderen Ländern hohen Anteil Teilzeitbeschäftigte in Norwegen.

Niedrige Arbeitslosigkeit
Die Arbeitslosigkeit in Norwegen ging in den 1990er Jahren stark zurück und ist so niedrig wie in kaum einem anderen OECD-Land. Im Jahresdurchschnitt (2000) waren 3,4 Prozent der Arbeitskräfte ohne Arbeit, im Jahr zuvor waren es laut Arbeitskräftestatistik des Statistischen Amtes 3,2 Prozent. Die mäßige Erhöhung ist in erster Linie im Zusammenhang mit mehr Beurlaubungen aus betrieblichen Gründen und Kündigungen in denjenigen Industriebranchen zu sehen, die den Erdölsektor direkt oder indirekt beliefern. Die Zunahme der Industriearbeitslosigkeit scheint jedoch Anfang 2001 zum Stillstand gekommen zu sein. In den EU-Staaten war die Arbeitslosigkeit in den 1990er Jahren insgesamt gleichbleibend hoch (2000 drei Mal so hoch wie in Norwegen). Hier bestehen allerdings große Unterschiede zwi-schen den einzelnen EU-Staaten. In den USA ging die Arbeitslosigkeit in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre erheblich zurück und liegt jetzt bei rund 4 Prozent, der tiefste Wert seit 1970.

Größerer Lohn- und Preisanstieg
Gegen Ende der langen Wachs-tumsphase entstanden Ungleichgewichte in der norwegi-schen Wirtschaft in Form eines erhöhten Lohnanstiegs. 1998 lag dieser Anstieg etwa doppelt so hoch wie bei den wichtigsten Handelspartnern. Der Lohnanstieg ging dann schrittweise zurück, liegt aber weiterhin höher als in den Ländern, mit denen Norwegen im Wettbewerb steht. Auch der Preisanstieg hat in den letzten Jahren etwas zugenommen und liegt jetzt höher als bei den wichtigsten Handelspartnern. Im vergangenen Jahr zogen die Konsumpreise um gut 3 Prozent an. Starke Schwankungen der Elektrizitäts- und Benzinpreise in den vergangenen 2­3 Jahren haben die Entwicklung der Konsumpreise beeinflusst. Preissteigerungen bei Benzin und Elektrizität trugen im vergangenen Jahr zu einem höheren Preisanstieg bei, während sie dieses Jahr möglicherweise eine gegenteilige Wirkung haben.

Starker Anstieg des Erdölpreises
Die norwegische Wirtschaft ist sensibel in Bezug auf Preisänderungen bei Erdöl, Metallen und anderen Rohstoffen, Erzeugnissen der Holzindustrie und chemischen Rohstoffen. Die erhebliche Unruhe auf den internationalen Devisen- und Finanzmärkten im Winter 1997­1998 wirkte sich auf die Entwicklung der norwegischen Wirtschaft aus. Von 1997 auf 1998 sank der Erdölpreis auf etwa die Hälfte, und diese Tatsache trug erheb-lich dazu bei, dass die Leistungsbilanz erstmals seit 1989 wieder ein Defizit aufwies. Im Jahr 1999 kam es zu einer Wende der absteigenden Preisentwicklung. Der Erdölpreis zog erneut stark an, und im vergangenen Jahr erreichte der durchschnittliche Erdölpreis den höchsten Stand seit 1985 (etwa drei Mal so hoch wie im Sommer 1998). Bei der weiteren Entwicklung des Erdölpreises herrscht große Unsicherheit, unter anderem wegen einer größeren Ungewissheit in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung in den USA.
Gegen Ende früherer Konjunkturaufschwünge ergaben sich in der norwegischen Wirtschaft gewöhnlich starke Ungleichgewichte im Außenhandel. Dies war Ende der 1990er Jahre nicht der Fall. Abgesehen von einem einzigen Jahr wies die Leistungsbilanz nach 1989 jedes Jahr einen hohen Überschuss auf. Dies beruht auf dem erheblichen Export von Rohöl und Naturgas, und zwar sowohl wegen hoher Erdölpreise als auch infolge steigender Ausfuhrmengen. Die Erhöhung der Erdölförderung und die gleichzeitige Abnahme der stark auf Importen beruhenden Investitionen im Erdölsektor deuten darauf hin, dass der Überschuss der Leistungsbilanz in den kommenden Jahren noch größer sein wird.

Strikte Fiskalpolitik
Die Fiskalpolitik wird aktiv zur Stabilisierung der norwegischen Wirtschaft eingesetzt. Die zuständigen Stellen nutzten den durch solide öffentliche Finanzen bedingten Handlungsspielraum Anfang der 1990er Jahre zur Ankurbelung der Nachfrage. Nach dem Konjunkturumschwung wurde ab 1994 eine relativ strikte Fiskalpolitik geführt. Dadurch konnte der Aufschwung der Festlandwirtschaft gedämpft werden. Gegen Ende des Konjunkturaufschwungs war die Fiskalpolitik jedoch nicht strikt genug, um einen Druck auf die Wirtschaft zu verhindern.
Bei den öffentlichen Haushalten Norwegens war in den vergangenen Jahren im Wesentlichen ein erheblicher Über-schuss zu verzeichnen, während EU- und OECD-Staaten zum Teil große Defizite aufwiesen. Eine strikte Fiskalpolitik bei zunehmenden Einnahmen im Erdölbereich und Wirtschaftswachstum führte dazu, dass das Defizit der Jahre 1991 bis 1994 ab 1995 von einem Überschuss abgelöst wurde. Gemäß den Richtlinien des Staatlichen Erdölfonds konnte dem Fonds 1996 somit erstmals ein Überschuss an Mitteln zugeführt werden. Der Überschuss der öffentlichen Haushalte gemäß den Maastricht-Kritierien für öffentliche Haushalte machte 2000 14 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus, während die Bruttoverschuldung etwa 21 Prozent betrug.
Der Umfang des öffentlichen Dienstes schwankt erheblich von Land zu Land. Dies ist unter anderem im Zusammenhang damit zu sehen, inwieweit die öffentlichen Hände für eine Ressourcenumverteilung in der Bevölkerung sorgen und inwieweit Dienstleistungen beispielsweise im Gesundheitswesen von öffentlichen oder privaten Einrichtungen angeboten werden. Norwegen zählt zu den OECD-Staaten mit dem höchsten Anteil Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Dieser Anteil ist in Norwegen mehr als doppelt so hoch wie in den USA und etwa gleich hoch wie in Dänemark und Schweden. Die Nachfrage nach Arbeitskräften im Gesundheits- und Sozialwesen wird in den kommenden Jahren erheblich ansteigen, und zwar weil die Bevölkerung älter wird und auch weil mehr Arbeitskräfte für die Durchführung bereits beschlossener Reformen der kommunalen Dienstleistungen benötigt werden. In Norwegen machen öffentlicher Konsum und öffentliche Zuweisungen etwa 20 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Dies ist weniger als in Schweden und Dänemark und mehr als in den USA und Deutschland. Die öffentlichen Hände finanzieren Konsum und Zuweisungen im Wesentlichen durch Steuern und Abgaben. In Norwegen lag die Höhe der Steuern und Abgaben gemessen am Gesamtbruttoinlandsprodukt etwa auf derselben Höhe wie der EU-Durchschnitt der vergangenen Jahre. Das Steuerniveau in Norwegen ist niedriger als der Durchschnitt der skandinavischen Länder, auch gemessen am Bruttoinlandsprodukt ohne den Erdöl- und Erdgassektor (Festland-Norwegen), jedoch wesentlich höher als der Durchschnitt der Industriestaaten. Dies ist im Zusammenhang damit zu sehen, dass Dienstleistungen im skandinavischen Gesundheits- und Bildungswesen weitgehend eine öffentliche Aufgabe darstellen, während es in vielen anderen Ländern hierfür zwar öffentliche Einrichtungen gibt, diese aber von den Benutzern finanziert werden.

Zinserhöhungen im Jahr 2000
Der Wechselkurs der norwegischen Krone war ab Mitte der 1990er Jahre relativ stabil, abgesehen von Phasen mit starken Schwankungen der Erdölpreise und Unruhe auf den internationalen Devisenmärkten. Die internationale Finanzkrise des Jahres 1998 führte im gleichen Jahr zu einer Verdoppelung der norwegischen Geldmarktzinsen. Der starke Zinsanstieg führte isoliert betrachtet zu einer strikteren Geldpolitik. Im Jahr 1999 waren in der norwegischen und der internationalen Wirtschaft wieder die Voraussetzungen für einen Rückgang des Zinsniveaus gegeben, doch diese Tendenz änderte sich im vergangenen Jahr. Der Zinsunterschied im Verhältnis zu europäischen Zinsen stieg 2000 leicht an, ist aber erheblich geringer als 1998.

Unsichere Prognosen
Angesichts der markanten Konjunkturbewegungen der letzten 20 Jahre ist damit zu rechnen, dass die norwegische Wirtschaft auch in den kommenden Jahren erhebliche Konjunkturschwankungen erleben kann. Die meisten mit wirtschaftlichen Prognosen befassten Institute in Norwegen scheinen jedoch von einer relativ ausgeglichenen Entwicklung in den kommenden Jahren und nur mäßigen Änderungen der Arbeitslosigkeit auszugehen. Die geringere Zuwachsrate der norwegischen Wirtschaft in den Jahren 1999 und 2000 wird als relativ kurze Wachstumspause bezeichnet. Schon in diesem Jahr kann das Wachstum der norwegischen Wirtschaft einem langfristigen Trend entsprechend wieder zunehmen.
Mehrere Umstände deuten auf eine stabile Entwicklung mit einer "weichen Landung" in den kommenden 2­3 Jahren hin, trotz der Erfahrungen, dass frühere Konjunkturbewegungen weitaus markanter waren. Dies hängt mit dem offensichtlich soliden Fundament der norwegischen Wirtschaft zusammen. Unterstrichen wird dies unter anderem durch die finanzielle Stärke sowohl der Staatsfinanzen als auch der Haushaltungen. Ein markanter Umschlag der privaten Nachfrage ist daher nicht zu erwarten. Außerdem scheint der deutliche Rückgang der Investitionen im Erdölsektor in den vergangenen 2­3 Jahren zum Stillstand zu kommen. Falls der Erdölpreis längere Zeit auf dem jetzigen hohen Stand bleibt, ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Investitionen des Erdölsektors der Festlandwirtschaft wieder stärkere Wachstumsimpulse geben, als die Signale der letzten Investitionserhebung des Statistischen Amtes erkennen lassen.
Das Risikobild der wirtschaftlichen Entwicklung scheint relativ ausgeglichen zu sein. Einerseits herrscht größere Unsicherheit im Hinblick auf das internationale Wachstum, und zwar besonders in den USA. Ein schwächeres Wachstum der internationalen Wirtschaft dürfte die Zunahme des norwegischen Exports bremsen. Niedrigere Preise für Rohöl und andere Rohstoffe dürften mit der Zeit zu geringerer Rentabilität und einem Rückgang der Investitionen in der norwegischen Festlandwirtschaft führen. Die Auswirkungen können sich noch verstärken, wenn ein wirtschaftlicher Rückschlag in den USA zu einem Verfall des Dollarkurses führt, was den Rückgang der Rohstoffpreise in norwegischen Kronen verstärken würde.
Andererseits führt die weiterhin hohe Kapazitätsauslastung dazu, dass ein erneutes starkes Wachstum der Nachfrage für die norwegische Wirtschaft problematisch sein kann. Die Arbeitskraftreserven sind in den vergangenen Jahren erheblich zurückgegangen. Gleichzeitig lassen die Prognosen der Bevölkerungsentwicklung nur eine relativ bescheidene Erhöhung des Arbeitskräftepotenzials in den kommenden Jahren erkennen. Außerdem wirken sich die Verlängerung des Urlaubs ab 2001 und 2002 sowie die Tendenz eines höheren Krankenstandes und die zunehmende Zahl von Erwerbsunfähigen und Frührentnern begrenzend auf das Arbeitskräftepotenzial aus. Mit einer umfassenden Arbeitskräfteknappheit dürfte es daher schwierig sein, den Lohn- und Preisanstieg auf ein europäisches Niveau zu senken. Ein längerfristig erheblich höheres Kostenniveau in Norwegen im Vergleich zu ausländischen Konkurrenten kann zu einem Rückgang der im internationalen Wettbewerb stehenden Branchen führen.


Sigrid Russwurm, die Verfasserin dieses Artikels, ist Vizeabteilungsdirektorin in der Wirtschaftsabteilung des Finanzministeriums. Sie leitet die Unterabteilung Konjunkturüberwachung und makroökonomische Prognosen.



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Herausgegeben von Nytt fra Norge für das Kgl. Norwegische Außenministerium Februar 2000. Der Verfasser ist für den Inhalt des Beitrags verantwortlich. Nachdruck gestattet. Gedruckt im April 2001