Die wirtschaftliche Entwicklung Norwegens
Historical archive
Published under: Stoltenberg's 1st Government
Publisher: Ministry of Foreign Affairs
Guidelines/brochures | Date: 01/05/2001
Die wirtschaftliche Entwicklung Norwegens
Nach dem anhaltenden Konjunkturaufschwung in den
1990er Jahren erlebt die Wirtschaft Norwegens nun eine Phase
verhalteneren Wachstums. Nach wie vor sind jedoch die Kapazitäten
in Teilen der Wirtschaft stark ausgelastet, und der Druck ist
entsprechend hoch. Die Erwerbstätigenquote ist in Norwegen deutlich
höher und die Arbeitslosigkeit niedriger als im übrigen Europa.
Daher sind Löhne und Preise in den letzten Jahren stärker gestiegen
als bei den Handelspartnern. Das Wachstum der norwegischen
Wirtschaft wird wahrscheinlich noch mehrere Jahre durch die
begrenzte Verfügbarkeit von Arbeitskräften bestimmt werden.
Von Sigrid Russwurm
Die norwegische Industrie war von Anbeginn im Wesentlichen
eine Rohstoffwirtschaft. Das lag an den Naturgegebenheiten:
zahllose Wasserfälle, weite Wälder, reiche Fischbestände und große
Erdölvorkommen bestimmten und bestimmen die Struktur der
industriellen Produktion. Energieintensive Wirtschaftszweige wie
Metallerzeugung, chemische Rohstoffe und Holzverarbeitung machen
einen großen Teil der auf Export ausgerichteten Industrie aus.
Hinzu kommt der Bau von Schiffen und Offshore-Plattformen. In
jüngerer Vergangenheit hat auch die Herstellung elektrischer und
elektronischer Artikel an Bedeutung gewonnen. Eine weitere, relativ
junge Ausfuhrbranche ist die Aquakultur, die sich in den letzten
1520 Jahren stark
entwickelt hat.
Die Förderung von Erdöl und Erdgas spielt eine große Rolle
für die norwegische Wirtschaft
Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) erhöhte sich
die Wertschöpfung in Norwegen in den 1980er und 1990er Jahren
insgesamt um fast 80 Prozent, während die Zunahme z. B. in der
Europäischen Union rund 50 Prozent und in den USA 70 Prozent
betrug. Das stärkere Wachstum in Norwegen ist unter anderem im
Zusammenhang mit der Förderung der Ende der 1960er Jahre im
norwegischen Festlandsockel entdeckten mineralischen Ressourcen
(Erdöl und Erdgas) zu sehen. Von 1980 bis 2000 hat sich die
Offshore-Erdölförderung mehr als vervierfacht, und Norwegen ist
derzeit der zweitgrößte Erdölexporteur der Welt. Gleichzeitig ist
die Nachfrage dieses Wirtschaftszweigs nach Waren und
Dienstleistungen auf dem Festland stark gestiegen.
Trotzdem stellt sich die Wirtschaftsstruktur des Landes
komplexer dar, als es zunächst scheinen mag. Mehr als die Hälfte
der Wirtschaft machen Dienstleistungen aus, hierzu zählen
Wohnungen, Kreditwesen, Versicherungen, Verkehr und der öffentliche
Dienst. Der Erdölsektor mit Rohöl- und Erdgasgewinnung trug 2000
mit gut 23 Prozent zur gesamten Wertschöpfung bei, das
Produzierende Gewerbe mit gut 9 Prozent.
Die norwegische Wirtschaft ist offen. Im Verhältnis zur
Einwohnerzahl liegt der Pro-Kopf-Wert des Außenhandels an der
Weltspitze. Rund 77 Prozent der Ausfuhren gehen in die EU-Staaten
und gut 68 Prozent der Einfuhren kommen aus der Europäischen Union.
Der Export in die USA liegt in der gleichen Größenordnung wie der
nach Asien, während aus Asien sehr viel mehr importiert wird als
aus den USA. Die nordischen Länder, Großbritannien, Deutschland und
die USA sind die wichtigsten Handelspartner Norwegens.
Großbritannien und die Niederlande sind wichtige Abnehmer von Erdöl
und Erdgas. Schweden ist das Land, aus dem die Norweger am meisten
einführen. Der Export von Waren und Dienstleistungen betrug 2000 46
Prozent des Bruttoinlandsprodukts, der Import 31 Prozent. Die
Ausfuhr von Erdöl und Erdgas machte rund 46 Prozent des
Gesamtexports aus.
Starker Konjunkturaufschwung in den 1990er Jahren
Zu Beginn der 1990er Jahre befand die norwegische
Wirtschaft sich in einem starken Konjunkturabschwung. Die
Arbeitslosigkeit stieg dramatisch an, die Wohnungspreise fielen
stark, und es zeichnete sich eine erhebliche finanzielle Krise ab.
Die Konjunkturentwicklung nahm jedoch bald wieder einen positiven
Verlauf, und 1993 setzte in der sog. Festlandwirtschaft (ohne Erdöl
und Erdgas) ein längerfristiger Aufschwung ein. Die Voraussetzungen
für einen solchen Umschlag waren günstig. Preise und Kosten waren
mehrere Jahre lang weniger stark gestiegen als bei den
Handelspartnern, so dass die kostenmäßige Wettbewerbsfähigkeit sich
erheblich verbessert hatte. Da auch die Zinsen im Jahr 1993 sanken,
wurde in der Festlandwirtschaft mehr investiert und der Export nahm
zu. Von 1993 bis 1998 betrug das durchschnittliche Wachstum des BIP
für das Festland 3 3/4 Prozent, die Arbeitslosigkeit wurde
halbiert, und die Erwerbstätigenquote lag so hoch wie nie zuvor.
Hohe Kapazitätsauslastung
Die Wachstumsrate der norwegischen Wirtschaft ging
gegen Ende 1998 deutlich zurück und wurde von einer Phase
geringerer Expansion abgelöst. Auf Jahresbasis nahm das BIP für das
Festland 2000 im Vergleich zum Vorjahr um 1,8 Prozent zu (19981999
0,8 Prozent). Das schwächere Wachstum in den vergangenen 23 Jahren
ist in erster Linie auf einen erheblichen Rückgang der
Erdölinvestitionen nach dem Spitzenjahr 1998 zurückzuführen,
während die Nachfrage der Haushaltungen zum anhaltenden Wachstum
beitrug. Gegen Ende des Vorjahres ging jedoch auch das Wachstum des
privaten Verbrauchs zurück, was unter anderem im Zusammenhang mit
den im Laufe des Jahres angestiegenen Zinsen zu sehen ist. Der
Export traditioneller Waren hat trotz des starken Wachstums der
internationalen Wirtschaft deutlich weniger zugenommen als Mitte
der 1990er Jahre. Im vergangenen Jahr führte dies dazu, dass
norwegische Exporteure in der Jahresstatistik zum vierten Mal
nacheinander Marktanteile einbüßten. Der Beschäftigungsstand hat
sich in den letzten 23 Jahren wenig geändert, die Arbeitslosigkeit
ist weiterhin niedrig und stabil, und es fehlt an Arbeitskräften
unter anderem im Dienstleistungsbereich. Trotz der geringeren
Wachstumsrate ist daher nach wie vor eine hohe Kapazitätsauslastung
in der norwegischen Wirtschaft zu verzeichnen.
Die vergangenen zwanzig Jahre brachten der norwegischen
Wirtschaft häufigere und stärkere Konjunkturbewegungen als vor
1980. Außerdem führten die Produktionsschwankungen mehr als früher
zu erheblichen Veränderungen des Beschäftigungsstandes und der
Arbeitslosigkeit. Die Tendenz zu erhöhter Instabilität und
erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit sind auch in
mehreren anderen OECD-Ländern zu beobachten. Die Deregulierung des
Kreditmarktes in der ersten Hälfte der 1980er Jahre trug zusammen
mit niedrigen Realzinsen (nach Berücksichtigung der Steuern) und
Verhaltensänderungen bei Darlehensnehmern und Kreditinstituten
wesentlich zur Verstärkung des Konjunkturaufschwungs Mitte der
1980er Jahre bei. Der in diesem Zeitraum stark angestiegene
Schuldenstand sowie überhöhte Investitionen unter anderem bei
Geschäftsgebäuden waren die Grundlage für den darauf folgenden sehr
starken Rückgang. Außerdem hat die Bedeutung des Erdöl- und
Erdgassektors seit den Anfängen in den frühen 1970er Jahren
deutlich zugenommen. Die Entwicklung der Investitionen im Bereich
Erdöl und Erdgas trug wesentlich zur Verstärkung der Schwankungen
der Festlandwirtschaft in den 1980er und 1990er Jahren bei.
Trotz der nach und nach auftretenden Probleme des
wirt-schaftlichen Druckes war der Konjunkturaufschwung Mitte der
1990er Jahre wesentlich ausgeglichener als der Aufschwung Mitte der
1980er Jahre. Erstens nahm der private Konsum in den 1990er Jahren
im Wesentlichen im Takt mit den Einnahmen zu. Daher wurde von den
Haushaltungen nicht wie Mitte der 1980er Jahre weniger gespart.
Zweitens stieg der Export traditioneller Waren während des
Aufschwungs in den 1990er Jahren erheblich an, was zu einer starken
Erhöhung der Betriebsinvestitionen und der Beschäftigung in der
Industrie beitrug. Dies führte zu einer in stärkerem Maße
gleichlaufenden Entwicklung in verschiedenen dem internationalen
Wettbewerb unterworfenen Sektoren und den übrigen Teilen der
Wirtschaft, als es während des Konjunkturaufschwungs in den 1980er
Jahren der Fall gewesen war. Vor diesem Hintergrund stellt sich die
Entwicklung des privaten Sektors während des letzten
Konjunkturaufschwungs als robuster und ausgeglichener dar.
Zu Beginn des starken Produktionswachstums im Frühjahr 1993
gab es erhebliche freie Kapazitäten in der norwegischen Wirtschaft.
Der andauernde starke Aufschwung führte jedoch dazu, dass Teile der
Wirtschaft mit der Zeit einem erheblichen Druck ausgesetzt waren.
Auch wenn dieser Druck nicht mit einer unausgeglichenen, durch
Kredite finanzierten Steigerung von privatem Konsum und
Investitionen verbunden war, gab es wichtige Parallelen zwi-schen
den Aufschwüngen der 1980er und der 1990er Jahre. Unter anderem
trugen die Entwicklung der Erdölinvestitionen und die relativ
niedrigen Realzinsen (nach Berücksichtigung der Steuern) auch
dieses Mal zu einem kräftigen wirt-schaftlichen Aufschwung in
Norwegen bei. Die Erdölinvestitionen erhöhten sich zwischen 1995
und 1998 um stolze 43 Prozent. Dies wirkte sich erheb-lich auf die
Festlandwirtschaft aus, wobei eine Reihe von Branchen bereits von
einer hohen Kapazitätsauslastung gekennzeichnet waren. Auch der
Rückgang der Realzinsen (nach Berücksichtigung der Steuern) bis
1997 trug zur Verstärkung des wirtschaftlichen Aufschwungs in
Norwegen bei.
Erwerbstätigenquote in Rekordhöhe
Ermöglicht wurde das starke Wirtschaftswachstum in
den 1990er Jahren durch eine im historischen und internationalen
Vergleich rekordhohe Erwerbstätigenquote. In Norwegen nahm die
Beschäftigung zwischen 1993 und 2000 jährlich um ca. 1,2 Prozent
zu. In den EU-Staaten blieb der Beschäftigungsstand in diesem
Zeitraum weitgehend unverändert, während die Zunahme in den USA
etwa gleich hoch lag wie in Norwegen. Im Vergleich zum
EU-Durchschnitt hat Norwegen in allen Altersgruppen einen weit
höheren Beschäftigtenanteil. Dies erklärt sich unter anderem durch
die hohe Erwerbstätigenquote bei Frauen und den im Vergleich zu
anderen Ländern hohen Anteil Teilzeitbeschäftigte in Norwegen.
Niedrige Arbeitslosigkeit
Die Arbeitslosigkeit in Norwegen ging in den 1990er
Jahren stark zurück und ist so niedrig wie in kaum einem anderen
OECD-Land. Im Jahresdurchschnitt (2000) waren 3,4 Prozent der
Arbeitskräfte ohne Arbeit, im Jahr zuvor waren es laut
Arbeitskräftestatistik des Statistischen Amtes 3,2 Prozent. Die
mäßige Erhöhung ist in erster Linie im Zusammenhang mit mehr
Beurlaubungen aus betrieblichen Gründen und Kündigungen in
denjenigen Industriebranchen zu sehen, die den Erdölsektor direkt
oder indirekt beliefern. Die Zunahme der Industriearbeitslosigkeit
scheint jedoch Anfang 2001 zum Stillstand gekommen zu sein. In den
EU-Staaten war die Arbeitslosigkeit in den 1990er Jahren insgesamt
gleichbleibend hoch (2000 drei Mal so hoch wie in Norwegen). Hier
bestehen allerdings große Unterschiede zwi-schen den einzelnen
EU-Staaten. In den USA ging die Arbeitslosigkeit in der zweiten
Hälfte der 1990er Jahre erheblich zurück und liegt jetzt bei rund 4
Prozent, der tiefste Wert seit 1970.
Größerer Lohn- und Preisanstieg
Gegen Ende der langen Wachs-tumsphase entstanden
Ungleichgewichte in der norwegi-schen Wirtschaft in Form eines
erhöhten Lohnanstiegs. 1998 lag dieser Anstieg etwa doppelt so hoch
wie bei den wichtigsten Handelspartnern. Der Lohnanstieg ging dann
schrittweise zurück, liegt aber weiterhin höher als in den Ländern,
mit denen Norwegen im Wettbewerb steht. Auch der Preisanstieg hat
in den letzten Jahren etwas zugenommen und liegt jetzt höher als
bei den wichtigsten Handelspartnern. Im vergangenen Jahr zogen die
Konsumpreise um gut 3 Prozent an. Starke Schwankungen der
Elektrizitäts- und Benzinpreise in den vergangenen 23 Jahren haben
die Entwicklung der Konsumpreise beeinflusst. Preissteigerungen bei
Benzin und Elektrizität trugen im vergangenen Jahr zu einem höheren
Preisanstieg bei, während sie dieses Jahr möglicherweise eine
gegenteilige Wirkung haben.
Starker Anstieg des Erdölpreises
Die norwegische Wirtschaft ist sensibel in Bezug auf
Preisänderungen bei Erdöl, Metallen und anderen Rohstoffen,
Erzeugnissen der Holzindustrie und chemischen Rohstoffen. Die
erhebliche Unruhe auf den internationalen Devisen- und
Finanzmärkten im Winter 19971998 wirkte sich auf die Entwicklung
der norwegischen Wirtschaft aus. Von 1997 auf 1998 sank der
Erdölpreis auf etwa die Hälfte, und diese Tatsache trug erheb-lich
dazu bei, dass die Leistungsbilanz erstmals seit 1989 wieder ein
Defizit aufwies. Im Jahr 1999 kam es zu einer Wende der
absteigenden Preisentwicklung. Der Erdölpreis zog erneut stark an,
und im vergangenen Jahr erreichte der durchschnittliche Erdölpreis
den höchsten Stand seit 1985 (etwa drei Mal so hoch wie im Sommer
1998). Bei der weiteren Entwicklung des Erdölpreises herrscht große
Unsicherheit, unter anderem wegen einer größeren Ungewissheit in
Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung in den USA.
Gegen Ende früherer Konjunkturaufschwünge ergaben sich in der
norwegischen Wirtschaft gewöhnlich starke Ungleichgewichte im
Außenhandel. Dies war Ende der 1990er Jahre nicht der Fall.
Abgesehen von einem einzigen Jahr wies die Leistungsbilanz nach
1989 jedes Jahr einen hohen Überschuss auf. Dies beruht auf dem
erheblichen Export von Rohöl und Naturgas, und zwar sowohl wegen
hoher Erdölpreise als auch infolge steigender Ausfuhrmengen. Die
Erhöhung der Erdölförderung und die gleichzeitige Abnahme der stark
auf Importen beruhenden Investitionen im Erdölsektor deuten darauf
hin, dass der Überschuss der Leistungsbilanz in den kommenden
Jahren noch größer sein wird.
Strikte Fiskalpolitik
Die Fiskalpolitik wird aktiv zur Stabilisierung der
norwegischen Wirtschaft eingesetzt. Die zuständigen Stellen nutzten
den durch solide öffentliche Finanzen bedingten Handlungsspielraum
Anfang der 1990er Jahre zur Ankurbelung der Nachfrage. Nach dem
Konjunkturumschwung wurde ab 1994 eine relativ strikte
Fiskalpolitik geführt. Dadurch konnte der Aufschwung der
Festlandwirtschaft gedämpft werden. Gegen Ende des
Konjunkturaufschwungs war die Fiskalpolitik jedoch nicht strikt
genug, um einen Druck auf die Wirtschaft zu verhindern.
Bei den öffentlichen Haushalten Norwegens war in den
vergangenen Jahren im Wesentlichen ein erheblicher Über-schuss zu
verzeichnen, während EU- und OECD-Staaten zum Teil große Defizite
aufwiesen. Eine strikte Fiskalpolitik bei zunehmenden Einnahmen im
Erdölbereich und Wirtschaftswachstum führte dazu, dass das Defizit
der Jahre 1991 bis 1994 ab 1995 von einem Überschuss abgelöst
wurde. Gemäß den Richtlinien des Staatlichen Erdölfonds konnte dem
Fonds 1996 somit erstmals ein Überschuss an Mitteln zugeführt
werden. Der Überschuss der öffentlichen Haushalte gemäß den
Maastricht-Kritierien für öffentliche Haushalte machte 2000 14
Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus, während die
Bruttoverschuldung etwa 21 Prozent betrug.
Der Umfang des öffentlichen Dienstes schwankt erheblich von
Land zu Land. Dies ist unter anderem im Zusammenhang damit zu
sehen, inwieweit die öffentlichen Hände für eine
Ressourcenumverteilung in der Bevölkerung sorgen und inwieweit
Dienstleistungen beispielsweise im Gesundheitswesen von
öffentlichen oder privaten Einrichtungen angeboten werden. Norwegen
zählt zu den OECD-Staaten mit dem höchsten Anteil Beschäftigte im
öffentlichen Dienst. Dieser Anteil ist in Norwegen mehr als doppelt
so hoch wie in den USA und etwa gleich hoch wie in Dänemark und
Schweden. Die Nachfrage nach Arbeitskräften im Gesundheits- und
Sozialwesen wird in den kommenden Jahren erheblich ansteigen, und
zwar weil die Bevölkerung älter wird und auch weil mehr
Arbeitskräfte für die Durchführung bereits beschlossener Reformen
der kommunalen Dienstleistungen benötigt werden. In Norwegen machen
öffentlicher Konsum und öffentliche Zuweisungen etwa 20 Prozent des
Bruttoinlandsproduktes aus. Dies ist weniger als in Schweden und
Dänemark und mehr als in den USA und Deutschland. Die öffentlichen
Hände finanzieren Konsum und Zuweisungen im Wesentlichen durch
Steuern und Abgaben. In Norwegen lag die Höhe der Steuern und
Abgaben gemessen am Gesamtbruttoinlandsprodukt etwa auf derselben
Höhe wie der EU-Durchschnitt der vergangenen Jahre. Das
Steuerniveau in Norwegen ist niedriger als der Durchschnitt der
skandinavischen Länder, auch gemessen am Bruttoinlandsprodukt ohne
den Erdöl- und Erdgassektor (Festland-Norwegen), jedoch wesentlich
höher als der Durchschnitt der Industriestaaten. Dies ist im
Zusammenhang damit zu sehen, dass Dienstleistungen im
skandinavischen Gesundheits- und Bildungswesen weitgehend eine
öffentliche Aufgabe darstellen, während es in vielen anderen
Ländern hierfür zwar öffentliche Einrichtungen gibt, diese aber von
den Benutzern finanziert werden.
Zinserhöhungen im Jahr 2000
Der Wechselkurs der norwegischen Krone war ab Mitte
der 1990er Jahre relativ stabil, abgesehen von Phasen mit starken
Schwankungen der Erdölpreise und Unruhe auf den internationalen
Devisenmärkten. Die internationale Finanzkrise des Jahres 1998
führte im gleichen Jahr zu einer Verdoppelung der norwegischen
Geldmarktzinsen. Der starke Zinsanstieg führte isoliert betrachtet
zu einer strikteren Geldpolitik. Im Jahr 1999 waren in der
norwegischen und der internationalen Wirtschaft wieder die
Voraussetzungen für einen Rückgang des Zinsniveaus gegeben, doch
diese Tendenz änderte sich im vergangenen Jahr. Der Zinsunterschied
im Verhältnis zu europäischen Zinsen stieg 2000 leicht an, ist aber
erheblich geringer als 1998.
Unsichere Prognosen
Angesichts der markanten Konjunkturbewegungen der
letzten 20 Jahre ist damit zu rechnen, dass die norwegische
Wirtschaft auch in den kommenden Jahren erhebliche
Konjunkturschwankungen erleben kann. Die meisten mit
wirtschaftlichen Prognosen befassten Institute in Norwegen scheinen
jedoch von einer relativ ausgeglichenen Entwicklung in den
kommenden Jahren und nur mäßigen Änderungen der Arbeitslosigkeit
auszugehen. Die geringere Zuwachsrate der norwegischen Wirtschaft
in den Jahren 1999 und 2000 wird als relativ kurze Wachstumspause
bezeichnet. Schon in diesem Jahr kann das Wachstum der norwegischen
Wirtschaft einem langfristigen Trend entsprechend wieder zunehmen.
Mehrere Umstände deuten auf eine stabile Entwicklung mit
einer "weichen Landung" in den kommenden 23 Jahren hin, trotz der
Erfahrungen, dass frühere Konjunkturbewegungen weitaus markanter
waren. Dies hängt mit dem offensichtlich soliden Fundament der
norwegischen Wirtschaft zusammen. Unterstrichen wird dies unter
anderem durch die finanzielle Stärke sowohl der Staatsfinanzen als
auch der Haushaltungen. Ein markanter Umschlag der privaten
Nachfrage ist daher nicht zu erwarten. Außerdem scheint der
deutliche Rückgang der Investitionen im Erdölsektor in den
vergangenen 23 Jahren zum Stillstand zu kommen. Falls der
Erdölpreis längere Zeit auf dem jetzigen hohen Stand bleibt, ist
jedoch nicht auszuschließen, dass die Investitionen des
Erdölsektors der Festlandwirtschaft wieder stärkere
Wachstumsimpulse geben, als die Signale der letzten
Investitionserhebung des Statistischen Amtes erkennen lassen.
Das Risikobild der wirtschaftlichen Entwicklung scheint
relativ ausgeglichen zu sein. Einerseits herrscht größere
Unsicherheit im Hinblick auf das internationale Wachstum, und zwar
besonders in den USA. Ein schwächeres Wachstum der internationalen
Wirtschaft dürfte die Zunahme des norwegischen Exports bremsen.
Niedrigere Preise für Rohöl und andere Rohstoffe dürften mit der
Zeit zu geringerer Rentabilität und einem Rückgang der
Investitionen in der norwegischen Festlandwirtschaft führen. Die
Auswirkungen können sich noch verstärken, wenn ein wirtschaftlicher
Rückschlag in den USA zu einem Verfall des Dollarkurses führt, was
den Rückgang der Rohstoffpreise in norwegischen Kronen verstärken
würde.
Andererseits führt die weiterhin hohe Kapazitätsauslastung
dazu, dass ein erneutes starkes Wachstum der Nachfrage für die
norwegische Wirtschaft problematisch sein kann. Die
Arbeitskraftreserven sind in den vergangenen Jahren erheblich
zurückgegangen. Gleichzeitig lassen die Prognosen der
Bevölkerungsentwicklung nur eine relativ bescheidene Erhöhung des
Arbeitskräftepotenzials in den kommenden Jahren erkennen. Außerdem
wirken sich die Verlängerung des Urlaubs ab 2001 und 2002 sowie die
Tendenz eines höheren Krankenstandes und die zunehmende Zahl von
Erwerbsunfähigen und Frührentnern begrenzend auf das
Arbeitskräftepotenzial aus. Mit einer umfassenden
Arbeitskräfteknappheit dürfte es daher schwierig sein, den Lohn-
und Preisanstieg auf ein europäisches Niveau zu senken. Ein
längerfristig erheblich höheres Kostenniveau in Norwegen im
Vergleich zu ausländischen Konkurrenten kann zu einem Rückgang der
im internationalen Wettbewerb stehenden Branchen führen.
Sigrid Russwurm, die Verfasserin dieses Artikels, ist
Vizeabteilungsdirektorin in der Wirtschaftsabteilung des
Finanzministeriums. Sie leitet die Unterabteilung
Konjunkturüberwachung und makroökonomische Prognosen.
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Herausgegeben von Nytt fra Norge für das Kgl. Norwegische
Außenministerium Februar 2000. Der Verfasser ist für den Inhalt des
Beitrags verantwortlich. Nachdruck gestattet. Gedruckt im April
2001