Begrüßung einer Delegation deutscher Journalisten anlässlich eines Pressebesuches vom 15. bis 18. September 1999 in Bergen
Historisk arkiv
Publisert under: Regjeringen Bondevik I
Utgiver: Kulturdepartementet
Tale/innlegg | Dato: 15.09.1999
Staatssekretär Per Kristian Skulberg, Das Königliche Kulturministerium
Begrüßung einer Delegation deutscher Journalisten anlässlich eines Pressebesuches vom 15. bis 18. September 1999 in Bergen
Sehr geehrte Damen und Herren,
herzlich willkommen in Norwegen und in der Kulturstadt Bergen, die wie auch acht andere Städte unseres Kontinents zur Europäischen Kulturstadt 2000 erkoren wurde.
Gemeinsam mit Reykjavik, Helsinki, Avignon, Krakau, Bologna, Santiago de Compostela, Prag und Brüssel soll Bergen sich im Laufe des kommenden Jahres als eines der kulturellen Zentren Europas profilieren.
Bergen wird im nächsten Jahr eine Europäische Kulturstadt sein, dies ist ein wichtiges Ereignis – doch als noch wichtiger möchte ich hervorheben, dass die Stadt an den sieben Bergen sich bereits jetzt Kulturstadt nennen kann. Das kulturelle Leben dieser kompakten westnorwegischen Metropole zeichnet sich durch eine breite Vielfalt aus, und die lange Geschichte zeigt, dass der Kontakt mit dem Ausland schon immer von großer Bedeutung war. Bergen ist seit Jahrhunderten eine Kulturstadt und unterhält nach wie vor enge Beziehungen zum näheren und weiteren Umfeld.
In dieser schönen Stadt wandern wir auf 1000 Jahre alten Spuren. Wir sehen, dass Bergens architektonische Geschichte außerordentlich gut erhalten geblieben ist – hier können moderne Kunst- und Kulturformen in einer historischen Umgebung und Atmosphäre zum Ausdruck gebracht werden.
Willkommen auch in einer modernen, internationalen Stadt – einem Zentrum, wo alle wichtigen Einrichtungen nahe beieinander liegen und gut zugänglich sind. Ich nenne hier Galerien, Museen, Konzertsäle, Theater- und Ballettbühnen, von denen mehrere eng mit ausländischen Partnern zusammenarbeiten. Und in dieser Beziehung spielt auch die Wirtschaft eine wichtige Rolle, regional und national.
Wir besitzen, was in Deutschland schon das magische Licht des Nordens genannt wurde. Zudem bin ich überzeugt, dass unsere dem Atlantik zugewandte "Hutkrempe" der skandinavischen Halbinsel ein sehr spannender Teil der Welt ist. Überall dort, wo ein Gletscher aufs Meer trifft, wo das Land ans Wasser stößt und wo Flüsse in Fjorde münden, gibt es einen Überfluss an Ressourcen – das ist schon seit der Eiszeit so. Unsere eigene und die europäische Herausforderung besteht darin, dies zu erkennen und die uns dargebotenen Schätze vernünftig zu nutzen. Wie Sie wissen, hat kaum ein Land der nördlichen Erdhalbkugel, das auf gleicher geographischer Breite liegt wie das unsere, so warme Gewässer wie Norwegen.
Erst als ich vor einigen Jahren in Geo Spezial einen Artikel über eine erlebnisreiche Fahrt mit der Bergen-Bahn las, wurde mir klar, wie exotisch diese Eisenbahnstrecke eigentlich ist. Das habe ich auch heute erlebt. Wenn man das eigene Land und die eigenen Berge einmal mit den Augen anderer erlebt, hat dies große Bedeutung für das Selbstverständnis. Erst wenn wir den Wert der eigenen Natur und Kultur zu schätzen wissen und unser eigenes Leben in einem globalen Zusammenhang sehen, sind wir in der Lage, die uns zur Verfügung stehenden Werte auf eine bessere Art und Weise zu verwalten. Es ist ein kulturpolitisch wichtiges Anliegen der Regierung, das Vertrauen der Menschen in die eigene Kultur zu stärken. Wir haben hierfür den Begriff "Entwicklung des kulturellen Selbstvertrauens" geprägt und dies zur Zielsetzung gemacht. Tonangebende Zeitungen haben kürzlich bestätigt, dass "im norwegischen Kulturleben zur Zeit etwas in Bewegung ist". Gemeint ist das starke Aufblühen regionaler Kulturaktivitäten.
Die Darstellung der eigenen Kultur und die Begegnung mit anderen Kulturen tragen in hohem Maße zu diesem Selbstverständnis bei. Gerade die Förderung des Tourismus stellt in diesem Zusammenhang einen sehr fruchtbaren Ansatz und Schwerpunkt dar.
Einige Worte über Bergen
Die Kandidatur Bergens als eine Europäische Kulturstadt war von dem Gedanken getragen, dass diese Stadt ein reiches kulturelles Erbe aufzuweisen hat. Zahlreiche alte Kirchen, öffentliche Gebäude wie die Håkon-Halle und der Rosenkrantz-Turm aus dem 13. Jahrhundert, private Patrizierhäuser und Lustschlösschen zeugen von einer mannigfaltigen Vergangenheit.
Bergen spielte bereits im Mittelalter eine wichtige Rolle, und die Strukturen aus jener Zeit sind auch in der Gegenwart leicht zu erkennen. Sie bestimmen geradezu das Stadtzentrum mit seinen Straßen und Gassen, Plätzen und Anlagen.
Ein Spaziergang durch die Innenstadt führt durch eine einzigartige historische Landschaft. Die alten Holzhäuser das Hafenviertels Bryggen wurden nach mehreren Stadtbränden wieder aufgebaut und stehen heute auf der UNESCO-Liste des Welterbes. Dort zählen sie zu den Kulturdenkmälern mit dem höchsten Schutzwert. Im Mittelalter gründeten die Hanseaten dieses Bryggen-Viertel als ihre Stadt in der Stadt, und Bergen war eine Zeit lang das größte der 4 Kontore der Deutschen Hanse – heute würden wir vielleicht "Auslandsvertretungen" sagen.
Zeitweise lebten mehr als 1000 deutsche Kaufleute in Bergen, und das Holzhausviertel am Hafen wurde im Volksmund bis 1945 Tyskebryggen, die "Deutsche Brücke", genannt.
(Später heute Abend können wir Sie zu einem Essen in den Schøt-Stuben begrüßen – in diesen alten Gesellschaftsräumen versammelten sich die Hanseaten und nahmen gemeinsam die Mahlzeiten ein. Heute gehört dieses Gebäude, eines der ältesten und am besten erhaltenen in Bergen, zum Hanseatischen Museum.)
Bergen legt schon seit einigen Jahren großen Wert auf den Ausbau der kulturellen Einrichtungen. Dieser Einsatz hat Früchte getragen: Bergen ist heute eine lebendige, aktive Kulturstadt. Dies hängt sicher auch damit zusammen, dass die Bergener sich eher durch ein fast südländisches Temperament auszeichnen und mit einem intensiven, um nicht zu sagen "unnorwegischen" Patriotismus etwas für ihre Stadt tun. Ohne ihren Eifer und ihr Engagement zugunsten der Stadt ließe sich das Jahr als Europäische Kulturstadt wohl gar nicht durchführen.
Zur Stiftung Kulturstadt Bergen 2000
Die Stiftung "Kulturstadt Bergen 2000" wurde im März 1997 von der Stadt Bergen ins Leben gerufen. Sie hat die Aufgabe, alle Aktivitäten im Kulturstadt-Jahr 2000 zu koordinieren. Und in diesem Rahmen werden im kommenden Jahr rund 500 Veranstaltungen stattfinden. Diese gehen auf rund 1000 Vorschläge zurück, die aus dem ganzen Land bei der Stiftung eingingen.
Das Kulturstadt-Jahr in Bergen fällt nicht mit dem Kalenderjahr zusammen. Es beginnt am 17. Februar und endet am 3. Dezember. Eingeteilt ist es in drei Saisons: "Träume" im Frühjahr, "Wanderung" im Sommer und "Räume" im Herbst.
Die Stiftung verfügt über einen Etat von gut 100 Millionen norwegische Kronen. Vier norwegische Konzerne konnten als Hauptsponsoren gewonnen werden: Den norske Bank DnB, Norsk Hydro, SAS und Gilde Vestlandske Salslag.
In Verbindung mit dem Kulturstadt-Jahr stellen wir mit Freude fest, dass die Zusammenarbeit von kulturellen Einrichtungen und Akteuren des Wirtschaftslebens ein in Norwegen bisher noch nicht dagewesenes Ausmaß erreicht hat. Den zahlreichen Einrichtungen der Stadt wurde die Möglichkeit gegeben, umfassendere Projekte auf den Weg zu bringen als in einem normalen Jahr, und außerdem hat das Kulturleben der Stadt neue Formen der Zusammenarbeit entwickeln können, durch welche die einzelnen Einrichtungen und die beteiligten Künstlerinnen und Künstler angespornt und bereichert werden.
Das größte Theater der Stadt, es heißt Den Nationale Scene, feiert im nächsten Jahr sein 150-jähriges Bestehen. Ein norwegisches künstlerisches Theater mit professionellen Künstlerinnen und Künstlern gab es in unserem Lande erst, als der weltberühmte Geigenvirtuose Ole Bull eben diese Bühne in Bergen gegründet hatte.
Henrik Ibsen sammelte erste Theatererfahrungen in Bergen. Im Jahr 1852 wurde er verpflichtet, "dem Theater als Autor von Dramen" zur Seite zu stehen, und er war einige wenige Jahre fester Regisseur des Theaters. Später fand er unter anderem in Deutschland die notwendige Ruhe, um seine Talente zu entfalten.
Bergen kann sich rühmen, neben dem ältesten Ensemble-Theater des Landes auch eines der ältesten nationalen Orchester der Welt zu haben, die Musikselskabet Harmonien. Diese "Musikgesellschaft" besteht bereits seit 1765, ihr gehören heute 97 fest angestellte Musiker an. Im nächsten Jahr ist Simone Young Chefdirigentin, und das Philharmonische Orchester Bergen wird Konzerte mit Werken des italienischen Komponisten Luciano Berio geben. Aus der Kulturstadt Krakau kommt Krzysztof Penderecki und dirigiert seine eigene "Lukas-Passion".
Aus Bergen stammen mehrere bekannte Tonkünstler. Der berühmteste unter ihnen ist zweifellos der Pianist, Komponist und Dirigent Edvard Grieg. Sein Landhaus Troldhaugen ist heute Museum, dem auch ein eigener Konzertsaal angegliedert ist. Mehrere tausend Touristen kommen jedes Jahr vor allem dieser Sehenswürdigkeit wegen nach Bergen.
Alle zentralen Kultureinrichtungen sind in Bergen vertreten. Im Westnorwegischen Kunstindustriemuseum wird die junge norwegische Designerin Pia Myrvold eine groß angelegte Modeausstellung zeigen. Sie hat sich als eine der weltweit besten Avantgarde-Künstler im Bereich Mode hervorgetan.
Carte Blanche, das einzige professionelle Ensemble für modernes Ballett in Norwegen, wird in allen Kulturstädten auftreten und außerdem eine Reihe von Ensembles aus den anderen acht Kulturstädten in Bergen begrüßen.
Im Programm der Kulturstadt, das bis November dieses Jahres noch als vorläufig zu bezeichnen ist, finden wir eine Reihe von Veranstaltungen – vom Rock-Konzert über ein Dampfschiff-Festival bis zu einer spektakulären Ausstellung zum Thema "Norwegische Fjorde".
Die fast 30.000 Studierenden der Stadt veranstalten ein studentisches Festival, und eine eigene Gruppe lädt die Bevölkerung zum Tangofestival in Straßen und Gassen ein. Kunst wird überall im Stadtbild gegenwärtig sein, und auch die 7 Berge der Stadt sollen zu Wort kommen – das kulturelle Angebot zeichnet sich also durch eine unglaubliche Vielfalt aus.
Zwei Opern werden im nächsten Jahr in Bergen uraufgeführt. Die eine – "The Maid of Norway" – wird in der Håkon-Halle dargeboten, einem stattlichen Gebäude aus dem 13. Jahrhundert und damals Zentrum der Macht in Norwegen. In jener Zeit war Bergen nämlich mit Abstand die größte Stadt des Landes.
1993 gründete die Stadt ein eigenständiges Kunstzentrum für Kinder, Barnas Hus oder "Haus der Kinder". Diese Einrichtung wird im Jahr 2000 ein anspruchsvolles Kunstvermittlungsprojekt durchführen:
"Meine Stadt – unsere Städte" soll den 25.000 Schulkindern in Bergen die Architektur ihrer Heimatstadt näher bringen. Künstler, Architekten und Pädagogen arbeiten hier zusammen, damit die Kinder die Architektur der alten Hansestadt untersuchen, beschreiben und ihre Eindrücke weitergeben können. Im Rahmen dieses Projekts werden Kinder und Lehrer die Gelegenheit haben, die architektonische Geschichte ihrer eigenen Stadt in einigen der anderen acht Kulturstädte vorzustellen und die dortige Entwicklung kennenzulernen.
Alle acht Museen der Stadt wurden renoviert. 1994 wurde das Internationale Kulturzentrum Bergen eingerichtet, und im Jahr 2000 wird das 8. und letzte Kulturhaus eingeweiht – damit verfügt jeder Stadtteil über einen eigenen kulturellen Treffpunkt. Das Kulturstadt-Jahr wird natürlich in jedem Stadtteil entsprechend begangen.
Diese bewusste Prioritätensetzung im kulturellen Bereich hat im Laufe von 10 Jahren zu einer reellen Erhöhung des Etats um nicht weniger als 70 % geführt.
DIE KÜSTE – Begegnung zwischen Welten
Schifffahrt und Handel bildeten schon vor Jahrhunderten die Grundlage für die Entwicklung der Stadt Bergen. Der Fischfang war die wichtigste Erwerbstätigkeit der Küstenbewohner, und Stockfisch wurde zum wichtigsten Exportartikel.
Die "Kulturstadt Bergen 2000" will daher dem Thema KÜSTE breiten Raum geben, und zwar durch das Erlebnisprojekt 2000 NAUST (auf Deutsch 2000 BOOTSHÄUSER).
Seit Jahrhunderten stehen die Stadt Bergen und ihr Umland im Dialog miteinander. Stadt und Land sind und bleiben aufeinander angewiesen – in Verbindung mit Waren, Handel, Produktion, Arbeitskräften, Export und Import.
Im Kulturstadt-Jahr ist es daher eine Selbstverständlichkeit, dass die umliegenden Regionen in Aktivitäten und Programme einbezogen sind, damit die Kulturlandschaft sich in ihrer Gesamtheit präsentieren kann.
An der Küste Westnorwegens zeigen sich diese Zusammenhänge in den zahlreichen Bootshäusern und anderen Gebäuden am Wasser. Alte Bootsschuppen und Bootshäuser erinnern nicht nur an Vergangenes; vielfach dienen sie weiterhin ihrem Zweck und sind somit Zeichen des aktiven Lebens überall dort, wo Meer und Land aufeinander treffen.
Mit dem Projekt 2000 NAUST (2000 BOOTSHÄUSER) soll die Tradition dieser Gebäude mit ihrem baulichen Erbe und ihrer Funktion vorgestellt werden. Gleichzeitig soll deutlich gemacht werden, dass Bootshäuser auch heute im Erwerbsleben und in der Freizeit eine bedeutende Rolle spielen.
Fisch und Meeresfrüchte – in Deutschland heißt es, wie Sie wissen, Seafood – sind unerlässlicher Bestandteil des norwegischen Speisezettels. Diese Schätze des Meeres sind somit lebende Kulturgeschichte und ein kulinarischer Genuss. Im Jahr 2000 werden 10 Seafood-Festivals stattfinden und zu einer Entdeckungsreise durch die Geschichte des Essens in unserem Lande einladen. Diese 10 Festivals sind an die Jahreszeiten geknüpft und schließen die Entwicklung bis zu den modernen Fischfarmen unserer Zeit ein.
Bergen ist im europäischen Vergleich zwar eine recht kleine Stadt, richtet aber seit Jahrhunderten den Blick weit über die Stadtgrenzen hinaus und hat Impulse aus vielen Teilen der Welt aufgenommen.
Bergen lädt die Einwohner und Gäste aus aller Welt ein, die Möglichkeiten dieser reizvollen kompakten Stadt zu nutzen, die mit ihren engen Gassen und hübschen Häuserfassaden immer wieder überrascht. Bergen ist eine lebhafte Stadt, der Regen oder Sturm nichts anhaben können. Bergen bereitet sich darauf vor, als würdige und stolze Europäische Kulturstadt zu erscheinen, und wir hoffen, dass die Stadt Ihnen in diesen drei Tagen etwas von ihren Geheimnissen und Überraschungen mitgeben kann.
Wie ich schon zu Beginn meiner Begrüssung gesagt habe, entwickelt sich in der Begegnung mit anderen auch das Verständnis der eigenen Kultur und Natur.
Daher freut es uns sehr, dass eine bewusste Öffentlichkeit wie die deutsche – und Sie als deren Vertreter – so großes Interesse an Norwegen zeigen. Wir freuen uns über Ihren Besuch, und es ist mir eine Ehre, Sie im "Land am Weg nach Norden" willkommen heißen zu dürfen.